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DIE GLÖCKNER VON ETTLINGEN

Seit 20 Jahren kümmert sich Willi Kleinfeld um das Geläut 
im Rathausturm. Jetzt hat er eine Nachfolgerin gefunden.

Geschichte

Er hat das höchste Amt in Ettlingen inne. Ungezählte Stufen und steile 
Leitern muss Willi Kleinfeld erklimmen, um an seinen Arbeitsplatz zu 
gelangen – dort, wo die Erde den Himmel berührt: auf der Laterne des 
Rathausturms, 40 Meter über der Stadt. Seine Mitarbeiterinnen zeichnen sich durch harte Schalen und wohlklingende Stimmen aus. 
Willi Kleinfeld, 79, ist der Glöckner von Ettlingen. „Ich bin ein Auslaufmodell“, sagt er. Dafür klettert der Mann mit der Schiebermütze, der immer einen knitzen Spruch auf den Lippen hat, aber noch mit traumwandlerischer Sicherheit über Sprossen und durch enge Luken.        

Als Hobbyfotograf begleitete der frühere Fernmeldetechniker Glockengießer bei der Arbeit und auf Montage. Mitgebracht hat er viele ästhetische Schwarz-Weiß-Aufnahmen und ein umfangreiches Wissen über Glocken. Die Stadt hat dieses Potenzial erkannt. Willi Kleinfeld erhielt die Schlüssel­gewalt über den Rathausturm und 
brachte das jahrzehntelang verstummte historische Geläut wieder zum Klingen. Nun hält er hauptsächlich das Gebäude in Schuss, wartet die Glocken und läutet sie. Auf Anfrage macht er Führungen. Bei Herzbeschwerden, Gewitter und mit Stöckelschuhen darf man den Turm allerdings nicht betreten. Sind diese und alle anderen Anforderungen der Turmordnung geklärt, kann man dem Glöckner in die erste Etage folgen. Dort befindet sich das riesige 
Uhrwerk der alten Rathausuhr, das er zwei Jahre lang repariert und geschmiert hat. Wenn er es mit der Kurbel aufzieht und das Pendel löst, sieht man, wie zahlreiche große und kleine Zahnräder ineinandergreifen. Und mit meditativem Klicken wird die Zeit hörbar.

Ein Stockwerk höher liegt die Türmerstube. Von hier aus kann Willi Kleinfeld die Glocken auch bei schlechtem Wetter läuten, etwa zum Fest des Brückenheiligen Nepomuk im Mai mit Lichterprozession. „Früher hatte ich mehr Aufträge“, erzählt er, „zur Weinlese, an Markttagen und bei Ratssitzungen.“ Deshalb läutet er manchmal auch ohne Anweisung – an Nikolaus oder St. Martin. Am liebsten steigt er dafür bis aufs sehr luftige, leicht schräge Metalldach, wo er die Glocken von Hand und mit viel Gefühl in Schwingung versetzt. Der Blick über die Stadt: atemberaubend. 

Seit 20 Jahren kümmert sich Willi Kleinfeld nun schon ehrenamtlich um den Rathausturm, der ursprünglich ein Stadttor ist, und hält eine lange Tradition lebendig. „Mir konnte gar nichts Besseres passieren“, sagt er. Weil er aber langsam kürzer treten will, hat er einen Nachfolger gesucht – und Ariane Blappert gefunden. Quasi beim Gespräch über den Gartenzaun. „Ich finde Glockengeläut faszinierend“, sagt die Softwareingenieurin, die auch schon immer Spaß an luftigen Höhen hatte. „Vom Turm hat man einen ganz anderen Blick auf Ettlingen und kann erkennen, wie sich die Stadt entwickelt hat“, schwärmt sie. Willi Kleinfeld hat Ariane Blappert einmal zum Läuten mitgenommen und ihr bereits das Prädikat TT – turmtauglich – verliehen. Noch wird sie eine Zeitlang „sein Lehrmädchen“ sein. Eigene Ideen für die Gestaltung ihrer Aufgabe hat die zukünftige erste Glöcknerin von Ettlingen aber schon gesammelt.

 

Gut zu Wissen

Wer mit Willi Kleinfeld den Rat­hausturm besichtigen will, meldet sich bei ihm unter der Telefon­nummer 07243 79302.

Information

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