DANK AN DEN WASSERGOTT
Beim Spaziergang mit Hans-Detlef Pasch durch Ettlingen tauchen seine Begleiter ein in vergangene Zeiten, in denen das Wasser der Alb von Flößern, Müllern und anderen Handwerkern genutzt wurde.
21. Mai 2019
Als schmales Band plätschert die Alb tief in ihrem gemauerten Bett durch Ettlingen. Sie ist eine malerische Kulisse und bei schönem Wetter genießen viele Menschen die Plätze am Wasser. Kaum zu glauben, dass dieser beschauliche Fluss früher einmal sogar schiffbar war.
Davon erzählt Hans-Detlef Pasch bei seiner Führung „Müller, Flößer & Anrainer“. Sie beginnt an der Buhl’schen Mühle – und zunächst mit ein paar grundlegenden Fakten zur Alb: Sie entspringt an einem Berg namens Teufelsmühle, der sich südöstlich von Bad Herrenalb zwischen Murg und Albtal erhebt. Insgesamt entwässert sie 440 Quadratkilometer Bergland, fließt nach 51 Kilometern in den Rhein – und hat das Leben im Tal geprägt. „Ohne die Alb gäbe es Ettlingen gar nicht“, betont der Stadtführer. Man brauchte Flüsse zur Hygiene, als Lebensmittel, Brauchwasser und obendrein als Transportmittel. So haben schon die Römer hier mit der Flößerei begonnen, wie Pasch ausführt. Über Jahrhunderte hinweg wurden bis zu 30 Meter lange Tannen übers Wasser talwärts transportiert. Unterwegs lauerte in jeder Kurve Gefahr. Erst 1914 ging die Zeit der Waldbauern und mit ihnen die Flößerei zu Ende.
Die Alb war nicht nur Transportmittel. Auch ihre Wasserkraft wurde genutzt und so standen an ihrem Ufer zahlreiche Mühlen. Eine der wenigen, die man heute noch sehen kann, ist die Buhl’sche Mühle, das älteste Industriegebäude der Stadt. Vor über 500 Jahren wurde hier Papier hergestellt – aus Stoffen, die zusammen mit Wasser zerstampft und zerkleinert wurden. Heute liegen in dem restaurierten Gebäude Räume für Veranstaltungen und Ausstellungen.
Weiter geht der Spaziergang in Richtung Innenstadt und vorbei am Watthalden-Park. „Wat“ stand im Althochdeutschen für Furt und auch dieser Name deutet darauf hin, dass die Alb früher weite Schleifen zog und alles überflutete. Dies erschwerte auch die Sanierung der denkmalgeschützten Villa Watthalden, denn das Wasser hatte etliche Mauern der Anlage zerstört. Auf dem Weg Richtung Stadtzentrum spricht Hans-Detlef Pasch über weitere Anrainer, die aus triftigem Grund die Nähe zum Wasser gesucht haben. Viele Kornmühlen waren dabei: Mit Zwingel-, Kirchhof- und Oberstadtmühle lagen sogar drei davon mitten in der Stadt nahe beieinander. Die Zwingelmühle war dabei die größte und von 1404 bis 1973 in Betrieb.
Die Bauten stehen nicht mehr, aber von einigen zeigt der Stadtführer alte Schwarzweißaufnahmen. Auch auf die Kanalstraße macht er seine Begleiter aufmerksam: Sie führt dort entlang, wo einst das Wasser der Alb gestaut und Richtung Mühle gelenkt wurde.
Die Geschichte des Unternehmens Bardusch, dessen Firmengelände an der Alb liegt, ist ebenfalls eng mit ihrem Wasser verbunden. Angefangen hat Caroline Bardusch vor über 140 Jahren damit, die Uniformen der hiesigen Offiziersschule zu reinigen. Es folgten Privatleute und Hotels, die ihr die Wäsche überließen, und nach dem Zweiten Weltkrieg stellte der Betrieb komplett auf Wäsche von Gewerbebetrieben um. Schon in den 1950er-Jahren ließen Daimler, die Deutsche Bahn und andere große Unternehmen hier reinigen. Mit seinem Wasch- und Tauschprinzip hat sich das Familienunternehmen Bardusch zum Textildienstleister entwickelt – mit 22 Geschäftsstellen in sechs Ländern und täglich mehr als 100.000 Waschmaschinenladungen.
Auf dem Spaziergang macht Hans-Detlef Pasch seine Begleiter immer wieder auf besondere Häuser und ihre Spuren aufmerksam, wie die kleine halbrunde Ausbuchtung über der Alb, die einem Balkon ähnelt. Hier stand früher eine Gerberei, ein Handwerk, das besonders viel Wasser brauchte. Mitte des 19. Jahrhunderts nutzte die kleine jüdische Gemeinde das Haus als Synagoge und ihre Mitglieder das Wasser für ihre rituellen Waschungen.
Während sich nun auf der einen Seite der Alb mit den Kirchen, dem Marktplatz und dem Rathaus das Zentrum erstreckt, verraten auf der anderen Seite die Straßennamen samt der kleinen Häuser, dass hier Färber und Gerber angesiedelt waren. Wie überall wollte man auch in Ettlingen nicht den Gestank und Dreck dieser Handwerker mitten in der Stadt haben.
Die Zeiten sind vorbei, das Wasser der Alb stinkt längst nicht mehr und plätschert als klarer Bach unter der Rathausbrücke und der Statue des Brückenheiligen Nepomuk hindurch. Von hier aus kann man einen Stein entdecken, der ebenfalls an die wasserreichen Zeiten der Alb erinnert: ein Neptunstein, der in die Rathauswand eingemauert ist. Im Kellergewölbe des Schlosses, in dem Ettlingen seine römischen Funde ausstellt, können Besucher das Original bewundern. Cornelius Aliquandus, der Chef der Flößer, hat den Weihestein gestiftet, wie Hans-Detlef Pasch erklärt, „als Dank an den Wassergott für unfallfreies Fahren“.