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BLÄTTERN IN DER VERGANGENHEIT

Vor über 500 Jahren wurde im Kloster in Herrenalb ein aufwendiges Gebetbuch gestaltet. Nun ist die kostbare Handschrift an den Entstehungsort zurückgekehrt: als originalgetreue Reproduktion mit 30 farbenprächtigen Miniaturen. 

23. Juli 2020

Geschichte

Eine Glashaube schützt das kleine Buch, das im Museum gleich am Eingang liegt. Anfassen ist trotzdem erlaubt – mit weißen Handschuhen, die eigens dafür bereit liegen. Damit dürfen Besucher die originalgetreue Kopie des „Herrenalber Gebetbuchs“ vorsichtig öffnen und die Seiten betrachten.

Darin finden sich lateinische Texte, verzierte Initialen und 30 handgemalte farbenprächtige Miniaturen. Die heilige Familie ist im strohgedeckten Stall zu sehen – umgeben von Strahlen aus glänzendem Blattgold. Eine andere Miniatur zeigt die heilige Veronika: Sie reicht Jesus, der das Kreuz trägt, das Schweißtuch. Auch ein Mönch ist dargestellt, der den gekreuzigten Jesus umarmt: Bernhard von Clairvaux, unter dem die Zisterzienser zum bedeutenden Orden wurden.

Vor über 500 Jahren ist das Gebetbuch im Kloster in Herrenalb entstanden: Johannes Zürn, Mönch und Kantor im Konvent, hat es für einen Mitbruder, Ludwig von Bruchsal, angefertigt: mit einem Kalender voll kirchlicher Feiertage, mit Marien- und anderen Gebeten. „Das war eine Auftragsarbeit, also ein kostbares Unikat, das sich Ludwig offenbar leisten konnte und wollte“, sagt die Historikerin Sabine Zoller. Der Expertin zufolge hat Johannes Zürn die lateinischen Gebete im Herrenalber Scriptorium niedergeschrieben, „bei den Zeichnungen hingegen geht man davon aus, dass sie woanders eingekauft wurden.“ Drei Jahre dauerte es, bis Zürn 1484 das Werk mit seinen 103 Pergamentblättern vollendet hatte.

Wobei vollendet das falsche Wort ist, denn 26 Seiten sind leer geblieben. Warum das zu damaliger Zeit kostbare Pergament nicht beschrieben wurde, ist ein Rätsel. „Im Gebetbuch findet man noch weitere Ungereimtheiten“, erklärt Herbert Krempel. Der ehemalige Bibliothekar kennt sich mit Handschriften aus und hat sich intensiv mit den Texten und Bildern befasst. Dabei stellt er fest, dass die Miniaturen weit mehr erzählen, als auf den ersten Blick erkennbar ist: durch kleine, aber wesentliche Details, oder durch die Figuren, die manchmal in ungewöhnlicher Körperhaltung dargestellt sind. „Dazu muss man wissen, dass die Mönche aufgrund des Schweigegelübdes eine eigene Zeichensprache entwickelt hatten“, erklärt der Fachmann, „auf ihr basiert auch die heutige Gebärdensprache.“ Diese und andere Geheimnisse des Gebetbuchs erforscht er. Mit seinen Erkenntnissen hat er schon mehrere Vorträge gehalten und nun will er selbst ein Buch dazu schreiben.

Das Original, ein Schatz der Buchmalerei aus dem späten 15. Jahrhundert, verwahrt die „Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz“. Nach Bad Herrenalb kehrte es nur für kurze Zeit zurück, als 1999 an die Gründung des Klosters vor 850 Jahren erinnert wurde. Durch Zufall stieß Sabine Zoller dann 2015 auf der Frankfurter Buchmesse auf den Verlag „Millennium Liber“, der auf einem Plakat für das Herrenalber Gebetbuch warb. Mit Faksimile-Editionen macht der spanische Verlag seltene historische Werke einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. In der Staatsbibliothek in Berlin war er auf das Gebetbuch aufmerksam geworden: Solche Handschriften, die für einen Einzelnen zur Andacht angefertigt wurden, sind etwas Besonderes – ebenso wie die Miniaturen. Deshalb sicherte sich der Verlag die Kopierrechte und 2018 erschien das Faksimile in einer Auflage von 995 Exemplaren. Für Sabine Zoller, die seit der Buchmesse den Kontakt zum Verlag pflegte, war klar: Eines der Bücher sollte künftig in Bad Herrenalb zu sehen sein.

Allerdings hat das aufwendige Werk auch seinen Preis. Als Ausgabe mit einem Kupferrelief auf dem Einband, wie es in Bad Herrenalb gezeigt wird, kostet es 5.000 Euro. Deshalb stieß Sabine Zoller eine Spendenaktion an und warb im Albtal dafür, ein Exemplar an den Ursprungsort zurückzuholen.

Seit vergangenem Frühjahr liegt es gut verwahrt im Museum. Das Haus beherbergt auch eine umfangreiche Sammlung von Feierabendziegeln, von denen einige direkt aus der Ziegelhütte des Herrenalber Zisterzienserklosters stammen. Nun ist mit der originalgetreuen Kopie des Herrenalber Gebetbuchs dort ein weiteres, besonderes Stück Klostergeschichte zu sehen.

 

Gut zu Wissen

www.museum-bad-herrenalb.de

Information

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