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ALS DIE BÜRGER REISEN LERNTEN

„Landpartien in den Nordschwarzwald“ lautet der Titel einer ungewöhnlichen Ausstellung im Stadtmuseum in Ettlingen. Mit alten Gemälden, Grafiken und Reiseberichten wird dabei die Zeit des 19. Jahrhunderts wieder lebendig, als die Städter auch das Albtal als Reiseziel zu entdecken begannen. 

20. Mai 2019

Geschichte

Die Romantik veränderte vieles. Zum Beispiel die Einstellung der Menschen zu Ruinen. Wurden sie zuvor oft einfach als Steinbruch benutzt, waren sie nun plötzlich Gegenstand großbürgerlicher Schwärmereien. Auf diese Weise kamen im 19. Jahrhundert auch die Klosterruinen von Frauenalb und Herrenalb zu neuen Ehren – und zu ersten touristischen Besuchern. Der Ausgangspunkt dieser Schwarzwaldund Klostertouren war Ettlingen. Dort fuhr schon früh die Eisenbahn hin und von dort begannen die Menschen ihre Exkursionen.

Raus aus der Stadt und hinein in die Sommerfrische der Bäume und Bäche, lautete die Devise. Die verbesserten Transportund Einkommensverhältnisse lockten gut betuchte Menschen aus bürgerlichen Verhältnissen hinaus aufs Land. Was der Adel konnte, konnten die neureichen Städter nun auch. So wie Ettlingen ging es auch den markgräflichen Residenzen Baden-Baden, Rastatt und Durlach. Sie alle besaßen ein aufstrebendes Bürgertum und eine Stadtlandschaft, die unmittelbar an den Schwarzwald grenzte: Baden-Baden an das Tal der Oos, Rastatt an das Murgtal, Durlach an den Turmberg und Ettlingen ans Albtal. Diese Parallelität der Verhältnisse bewog die Museumsmacher der vier badischen Städte zu einem gemeinsamen Ausstellungsprojekt: „Landpartien in den Nordschwarzwald“ lautet der identische Titel. Von Ende Mai bis Dezember 2019 wird dabei in allen vier städtischen Museen das gleiche Thema beleuchtet mit einer jeweils individuellen Schwerpunktsetzung auf die örtliche Umgebung. Im Albtal ging es neben den Klosterruinen auch um das Wandern und die Kur. 

Alte Gemälde und Stiche zeigen Herren mit Zylindern und Damen mit wehenden Röcken in der Landschaft herumspazieren. Auf einer anderen Darstellung sieht man eine Kutsche, die am Fluss entlang in Richtung Kurhaus Bad Herrenalb fährt. „Der Adel und das Großbürgertum gingen nach Baden-Baden, die nicht ganz so Vermögenden nach Herrenalb“, sagt Daniela Maier, Leiterin des Museums in Ettlingen. Mit ihren Kollegen und Kolleginnen hat sie zahlreiche Exponate zusammengetragen: Gemälde, Grafiken und Stiche, Geschirr und Gläser aus Hotels, Koffer und Kleider aus der Zeit, sowie alte Reiseführer und Reiseberichte. Ihre Unverblümtheit ist erstaunlich, wenn einem Reiseschriftsteller der Ort nicht gefiel, schrieb er ihn gerne mal in Grund und Boden. Das hat durchaus Unterhaltungswert und erfordert die Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können, zum Beispiel im Falle der Ettlinger, deren Ort an einer Stelle als eine „schäbige Anhäufung von einfachen Häusern“ bezeichnet wird. Freilich sah Ettlingen damals auch noch ganz anders aus: Das bekannte Hotel-Restaurant Erbprinz etwa, es lag außerhalb der Stadtmauern und gehört zu den frühen Ausflugsgaststätten, die sich entlang der Strecke bildeten.


So ist die Frühgeschichte des Reisens auch eine Geschichte der Gastronomie, die sich entlang der Wege bildete und die zum Teil bis heute fortbesteht. Einen weiteren Schub erhielt der Albtaltourismus als die Bahnstrecke bis nach Herrenalb verlängert wurde. Zu den Exponaten der Ausstellung gehören daher auch alte Prospekte der Albtalbahn, in denen die Kirschblüte im Frühjahr beworben wird. Rund 400 Quadratmeter wird die Sonderausstellung zum Thema „Landpartien in den Nordschwarzwald“ umfassen. Parallel läuft auch die Sonderschau zur Bade- und Hygienegeschichte. „Das passt gut zueinander“, sagt Daniela Maier, die die Besucher ermutigen will, beide Ausstellungen zu besuchen. Ihr Thema ist in jedem Fall ungewöhnlich, aber mit vielen Bezugspunkten für die Menschen von heute, die noch immer gerne baden gehen und verreisen.

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