ALLES, WAS RECHT IST
Das „Forum Recht“ ist eine Stiftung des Bundes und soll in Karlsruhe künftig das Thema Recht und Rechtsstaat greifbar und erlebbar machen – mit Veranstaltungen im ehemaligen Gerichtssaal und an vielen anderen Orten in der Stadt.
In den Raum fällt kein Tageslicht. Er hat keine Fenster, ist abhörsicher, wirkt abgeschottet. Im Großen Sitzungssaal des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe, der aus den 1960er-Jahren stammt, führten die Richter unter anderem die Prozesse gegen die RAF. Doch seine Technik war veraltet, sein verschlossener Charakter passte nicht mehr in eine Zeit, in der Transparenz groß geschrieben wird. So tagen die Richter seit 2012 in einem Neubau – und in einem vom Tageslicht erhellten modernen Hauptsitzungssaal.
Die Verlegung ist ein Glücksfall für die Bundesstiftung „Forum Recht“. Sie baut in Karlsruhe ein Zentrum auf, in dem sich alle Menschen über Recht und Rechtsstaat informieren und darüber diskutieren können. Den historischen Gerichtssaal will sie dabei einbinden. Die Bedeutung authentischer Orte kennt die Historikerin Henrike Claussen nur zu gut. Bevor sie Direktorin des „Forums Recht“ wurde, hat sie das Memorium Nürnberger Prozesse mit aufgebaut und geleitet. „Wir freuen uns über die einmalige Chance, am Standort Karlsruhe den ehemaligen Gerichtssaal des Bundesgerichtshofs für das Forum Recht nutzen zu können“, erklärt sie. „Historische Orte bieten Authentizität und helfen, komplexe Themen greifbarer zu machen. Ich halte den Saal daher für einen großen Gewinn für das Forum Recht und die Vermittlungsarbeit, die dort zukünftig geleistet werden wird.“
Doch die Organisatoren wollen nicht nur an authentischen Orten arbeiten – und auch kein Gedenkort oder Museum sein, sondern die Themen Recht und Rechtsstaat lebendig und greifbar machen. „Es soll dem Austausch und dem Dialog dienen und ein niederschwelliges Angebot sein, das die Menschen in ihrem Alltag abholt“, sagt Steffi Gretschel, Pressesprecherin des Forums Recht.
Für die ersten Veranstaltungen nutzt die Stiftung bereits ein ehemaliges Ladenlokal in der Karlstraße. Auf dem Gelände des Bundesgerichtshofs soll aber ein herausragender Neubau für das Forum entstehen. Im kommenden Jahr wird ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben, mit der Eröffnung in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts gerechnet.
Bis dahin wartet das „Forum Recht“ nicht, sondern plant in diesem Jahr eine Veranstaltungsreihe zum Thema „Rechtsstaat und Gerechtigkeit“. Dazu gehört auch ein Podcast, bei dem lokale Experten aus Wissenschaft und Kultur zu Wort kommen. Dabei können Themen, wie die Fußball-Weltmeisterschaft, ein Aufhänger sein, um anhand von Spielregeln die Bedeutung von „Fair Play“ zu erklären. Außerdem werden Jugendliche ihre Erfahrungen mit dem Rechtsstaat reflektieren und daraus ein kleines Ausstellungsprojekt gestalten, das in den Räumen der Stiftung zu sehen ist. „Es geht nicht nur um Grundrechte, sondern auch um echt im Alltag, in verschiedenen Lebenswelten“, erklärt die Sprecherin.
Dabei hat das „Forum Recht“ nicht nur Bürger in der Region, sondern mit seinen webbasierten Angeboten auch ganz Deutschland im Blick. „Nicht zuletzt durch die Pandemie haben die Menschen gelernt, diese Möglichkeiten stärker zu nutzen“, sagt Steffi Gretschel. Doch Corona hat noch ganz andere Folgen: Die Verordnungen haben die Debatten über die Grundrechte und den Rechtsstaat enorm angefeuert. „Es brennt uns unter den Nägeln, in die Diskussion einzusteigen“, sagt Steffi Gretschel. Alle wird die neue Institution dabei sicher nicht ansprechen können, aber die Gruppe der Zweifler, der Verunsicherten will sie erreichen und ihnen den Wert eines Rechtsstaats verdeutlichen. Und fängt damit bei den Jüngeren an: An Schulen plant das Forum künftig ein besonders vielfältiges Angebot.
Die Stiftung wurde 2019 gegründet und wird ein solches Zentrum nicht nur in Karlsruhe, sondern auch in Leipzig aufbauen. Beide Städte haben eine besondere Beziehung zum Recht. Das neu gegründete Deutsche Reich hat ab 1879 sein Reichsgericht als oberstes Zivil- und Strafgericht in Leipzig angesiedelt. Zudem ist sie die Stadt der friedlichen Montagsdemonstrationen. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Gründung der Bundesrepublik wurde Karlsruhe zur Stadt des Rechts: Das Bundesverfassungsgericht, der Bundesgerichtshof und die Generalbundesanwaltschaft sind hier zu Hause. Das soll künftig stärker im Bewusstsein der Menschen verankert und in jeder Stadt ein Neubau, ein Forum für Recht, geschaffen werden.
Gut zu Wissen
Mehr über das „Forum Recht“ und seine Aktivitäten im Internet. Über die Geschichte Karlsruhes als Stadt des Rechts und seine Institutionen kann man bei Stadtführungen mehr erfahren. Die Tourist-Information Karlsruhe hat außerdem ein Outdoor-Exitgame zum Thema Recht entwickelt: Die Spieler machen sich mit dem Smartphone auf den Weg, müssen in der Stadt eine Reihe von Rätseln lösen und dabei dem Münzskandal, den es in den 1970er-Jahren tatsächlich in Karlsruhe gab, auf den Grund gehen.